Kinderängste begleiten

Kirche Kinderängste begleiten

Kirche «Ich habe immer schon ein Geheimnis gehabt: eine winzige Freundin namens Angst.» Francesca Sanna /

1 liebe Eltern und Familien, liebe Gross- eltern und Paten Angst gehört zum Menschsein, und Kinderängste sind Teil einer normalen Entwicklung. Angst bewahrt vor Gefahren und bietet zudem vielfältige Gelegenheiten zum Lernen und Wachsen. Wenn Kinder ihre Ängste überwinden, öffnen sich ihnen neue Erfahrungsräume. Doch es gibt auch Ängste, die lähmen, die Entwicklungen hemmen. Wie können Sie Ihr Kind begleiten und ihm helfen, den Herausforderungen des Lebens mutig und stark zu begegnen? «Fürchte dich nicht!» Dieser Zuspruch ist in der Bibel immer wieder zu lesen, meist verbunden mit dem Versprechen: «Denn ich, dein Gott, bin mit dir!» Kinder (und Erwachsene) dürfen lernen zu vertrauen: Da ist jemand, der mich begleitet, der grösser ist als die Angst. Diese Broschüre will Ihnen praktische Tipps und Anregungen geben, wie Sie Ihr Kind in seinen Ängsten unterstützen können, damit es voll Vertrauen ins Leben starten kann. Ihre Kirche

2 «Geh nicht weg, Mami!» Trennungsangst ist im Alter von 8 bis 24 Monaten besonders stark. « Es ist ganz normal, Angst zu haben Angst ist ein angeborenes Gefahrenwarnsystem, es schlägt in bedrohlichen Situationen Alarm. Ängste sind vielfältig und werden meist als unangenehm empfunden. Kleine Kinder haben noch wenig Erfahrungen im Umgang mit Ängsten. Deshalb sind sie auf verständnisvolle Bezugspersonen angewiesen, die sie emotional unterstützen und ihnen Möglichkeiten zeigen, mit den Ängsten umzugehen. «Das machst du nicht noch mal! » Angst kann in ausweglosen Situationen zu aggressivem Verhalten führen. Welche Angst-Situationen kenne ich, bei meinem Kind und aus meiner Kindheit? Was hilft, Angst zu überwinden?

3 «Eigentlich habe ich gar keine Lust mehr, ins Sommerlager zu fahren.» Neue herausfordernde Situationen können Angst auslösen. «Die wollen gar nicht mit mir spielen, ich guck lieber zu!» Soziale Angst und Schüchternheit gehen oft Hand in Hand. « «Papi, die Monster wollen mich packen!» Zwischen 3 und 6 Jahren gehen Wirklichkeit und Fantasie ineinander über: Magisches Denken führt zu Angst vor Monstern, Hexen, Clowns. « «Die sind so gemein zu mir!» Angst vor Beschämung und davor, blossgestellt zu werden, lässt Kinder verstummen.

4 Sichere Bindung hilft Kindern gegen die Angst Eltern und Bezugspersonen können viel dazu beitragen, dass Kinder besser mit ihren Ängsten umgehen können. Die Kinder- und Jugendpsychologin Silke Schurig, Familienpunkt Seeland, stellt das Konzept der sicheren Bindung vor. Frau Schurig, was versteht man unter sicherer Bindung? Ein Kind ist abhängig von der Nähe und Zuwendung vertrauter Personen. Es bindet sich an seine Eltern und Bezugspersonen – ungeachtet, ob diese liebevoll oder weniger verständnisvoll sind. Erwachsene, die das kindliche Bedürfnis nach Geborgen- heit und Zugehörigkeit befriedigen, fördern eine sichere Bindung. Diese bietet Kindern psychischen Schutz und sie ist ein gutes Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung. Eine sichere Bindung hilft Kindern, besser mit den alltäglichen Herausforderungen umzugehen. Warum ist eine sichere Bindung gerade im Umgang mit Kinderängsten wichtig? Ängste gehören zur kindlichen Entwicklung. Jeder Entwicklungsschritt ist verbunden mit Ängsten, vom Fremdeln im Babyalter bis hin zu Ängsten von Teenagern, nicht akzeptiert zu werden. Ängste wirken auf Kinder zunächst unkontrollierbar. In den ersten Lebensjahren sind Kinder nicht in der Lage, Gefühle der Angst einzuordnen und selbst Lösungsstrategien zu entwickeln. Es ist für ein Kind wichtig, die passende Unterstützung von seinen Bezugspersonen zu bekommen. Sicher gebundene Kinder sind im Allgemeinen weniger ängstlich und haben mehr Ressourcen, auf «Entdeckungsreise» zu gehen – mit ihren Bezugspersonen im Hintergrund. Was stärkt die sichere Bindung des Kinds? Was behindert sie? Eine sichere Bindung wird gefördert, wenn Bezugspersonen zuverlässig und feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kinds reagieren. Unter feinfühlig versteht man die Fähigkeit, das aktuelle Bedürfnis des Kinds zu erkennen und gemeinsam mit ihm Bewältigungsstrategien zu finden. Es gilt, die Emotionen des Kinds ernst zu nehmen und es zu unterstützen, auch im Umgang mit Frustrationen. Dadurch lernt das Kind, dass seine Gefühle nichts Schlechtes sind und dass es Möglichkeiten gibt, die Emotionen zu regulieren. Für den Umgang mit Kinderängsten ist aber auch wichtig, dass die Erwachsenen dem Kind vertrauen und es ausprobieren lassen. Eigene Lernerfahrungen zu machen, stärkt das Selbstbewusstsein und das Gefühl der Selbstwirksamkeit und bereitet das Kind auf weitere Entwicklungsschritte vor. Diese gelingen Kindern mit einem «sicheren Hafen» deutlich besser. Eine psychische Erkrankung eines Elternteils oder ständiger Stress in der Familie hingegen wirken sich negativ auf die Bindung aus, da die Eltern unter diesen Bedingungen oft nicht in der Lage

5 sind, angemessen auf die Bedürfnisse des Kinds einzugehen. Sie sind häufig zu sehr mit sich und den eigenen Problemen beschäftigt. Was ist mit Kindern, die in der Kindheit keine sichere Bindung aufbauen konnten oder ihre Bezugsperson verloren haben? Werden Kinder von ihren Bezugspersonen enttäuscht, neigen sie dazu, ihre eigenen Bedürfnisse weniger zu äussern, um die Erwachsenen nicht mit negativen Gefühlen oder Ängsten zu belasten. Kinder können unterschiedlich reagieren, von sehr zurückgezogen bis hin zu aggressiv. Sie sind in der Lage, sich an die Situation anzupassen. Mit viel Geduld, Einfühlvermögen und Zeit können neue Bindungen entstehen. Mehrere tragfähige und verlässliche Bezugspersonen können Kindern helfen, positive Erfahrungen zu machen und sich an unterschiedlichen Vorbildern zu orientieren. Welche Tipps geben Sie in der Beratung, damit eine sichere Bindung besser gelingt? • Zeigen Sie Interesse, nehmen Sie die Bedürfnisse Ihres Kinds wahr und ernst und unterstützen Sie es beim Entdecken der Welt. • Nehmen Sie sich genug Zeit für Ihr Kind. Seien Sie bei Bedarf verfügbar. Das reicht von auf den Arm nehmen des Kleinkinds bis zum Gespräch über den Alltag mit dem Schulkind. • Akzeptieren Sie die Emotionen Ihres Kinds, wie zum Beispiel Angst, Wut oder Trauer. Sätze wie: «Sei jetzt still» oder «Das ist nicht so schlimm» hinterlassen beim Kind den Eindruck, dass seine Gefühle nicht richtig sind. Es fühlt sich nicht verstanden und allein gelassen. Benennen Sie die Emotionen des Kinds und kanalisieren sie diese neu. Informationen zum Projekt Familienpunkt Seeland gibt’s auf der Webseite familien-punkt.ch

6 Aus der biblischen Schatzkiste Psalm 23 ist ein bewährtes Vertrauensgebet in Situa- tionen der Angst. Für Klein und Gross. Gott – der wie ein Hirte für seine Schafe sorgt. Gott – der auch in Gefahr und Dunkelheit bei seiner Herde bleibt und sie beschützt. Gott – der Frieden und Geborgenheit schenkt. Es sind Worte und Bilder, die trösten und Mut machen, sich der Angst entgegenzustellen. Gott ist mein Hirte Der Herr ist mein Hirte. Er sorgt für mich. Er kennt die grünen Wiesen, wo ich satt werden kann. Er kennt den frischen Bach, wo ich trinken und ausruhen kann. Er lässt es mir gut gehen. Er begleitet mich auf meinem Weg zum Ziel. Auf ihn kann ich mich verlassen. Auch im Dunkeln brauche ich keine Angst zu haben. Du bleibst bei mir. Der Hirtenstab in deiner Hand macht mir Mut, wenn ich mich bedroht fühle. Du beschenkst mich jeden Tag neu. Herr, lass mich in deiner Nähe bleiben, solange ich lebe. Tipp 2: Einen «Wort-Notvorrat» sammeln Legen Sie sich zusammen mit Ihrem Kind einen «Wort-Notvorrat» an. Sprechen Sie regelmässig als Abschluss Ihres Gute-Nacht-Rituals ein Gebet, das Mut macht. Dann kann Ihr Kind die stärkenden Worte hervorholen, wenn’s drauf ankommt. Mehr Gebete gibt’s auf: Tipp 1: Mit kraftvollen Worten beten In Situationen der Angst fehlen manchmal eigene Worte, die gegen die Angst wirken. Dann darf man sich Worte ausleihen, zum Beispiel aus den Psalmen, dem Gebetsbuch der Bibel. Probieren Sie es aus: Sprechen Sie Worte aus Psalm 23, Psalm 91 oder Psalm 121. Es sind Worte, denen eine Kraft gegen die Angst innewohnt. farbenspiel.family

7 «Gott isch wi eN Hirt, a das cha i mi häbe! Mit dir i mim Härz chan i muetig läbe.» Nach Psalm 23 /

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9 Ein Stab, der Halt gibt In der Natur unterwegs zu sein, kleine und grosse Gefahren und Herausforderungen zu bewältigen, stärkt das Selbstvertrauen von Kindern. Ein Wanderstab ist dabei ein wunderbarer Begleiter. Er verbessert die Balance und hilft, kleine Hindernisse aus dem Weg zu räumen oder einen Bach zu überqueren. Einen Wanderstab herstellen: Schritt für Schritt-Anleitung 1. Zusammen mit dem Kind in der Natur ein möglichst gerade gewachsenes Hartholz suchen, z. B. aus Haselnuss, Ahorn, Erle oder Buche. Der Stock sollte frisch sein, aber nicht von einem lebenden Baum stammen; Durchmesser: ca. 5 cm; Länge: hängt von der Grösse des Kinds ab, mindestens 5 cm oberhalb der Hand, wenn das Kind den Stock mit angewinkeltem Ellbogen vor sich auf den Boden stellt. 2. Den Stock auf die richtige Länge zusägen. Mit dem Taschenmesser Zweige und Astbeulen entfernen, dann den Stock entrinden, bis er schön hell und glatt ist. Vorsicht: Immer vom Körper weg schnitzen! 3. Den Stock trocknen lassen: Das kann – je nach Holzart – zwei bis vier Wochen dauern. 4. Den Wanderstab dekorieren und personalisieren: Den Griff schön rund schnitzen und mit einem spiralförmigen Muster versehen, damit der Stock gut in der Hand liegt. Den Namen oder die Initialen des Kinds einschnitzen. Symbole für Kraft einritzen. 5. Den Wanderstab mit Leinöl versiegeln: Den Stock mit feinem Sandpapier abschmirgeln. Die Späne mit einem feuchten Tuch abreiben. Dann den Stock mit Leinöl auf einem Tuch mehrere Male einreiben. So bleibt der Wanderstab länger haltbar. Gemeinsam werken, basteln und wandern sind gute Gelegenheiten, mit Ihrem Kind ins Gespräch zu kommen. Fragen Sie Ihr Kind: Was macht dir Angst? Was hilft dir, wenn du Angst hast? Was macht dich stark?

10 Welche Ängste haben Kinder? Welche Ängste haben Erwachsene? Was hilft gegen die Angst?

Scan mich!

12 Es waren einmal drei Böcke, die wollten zur Alm gehen und sich fett machen, und alle drei hiessen sie Brausewind. Auf dem Weg zur Alm mussten sie über einen Fluss, da war auch eine Brücke, aber unter der Brücke wohnte ein grosser abscheulicher Troll, der hatte Augen, so gross wie Suppenteller, und Ohren, so gross wie Fensterläden, und eine Nase, so lang wie ein Hackenstiel, und einen Mund, so breit wie eine Scheunentüre, und Zähne, so lang und so scharf wie ein Fleischermesser. Da kam der jüngste und kleinste Bock Brausewind zur Brücke. «Tripp tripp! Tripp tripp! Tripp tripp», macht’s auf der Brücke. «Wer trippelt da über meine Brücke?», brüllte der grosse abscheuliche Troll. «Das bin nur ich, der kleinste Bock Brausewind», sagte das Böckchen mit ganz feiner Stimme, «ich wollte zur Alm gehn und mich fett machen.» – «Aber jetzt komme ich und hole dich!», brüllte der grosse abscheuliche Troll und sprang auf die Brücke. – «Ach, tu das nicht», sagte das Böckchen, «ich bin ja noch so klein, warte noch ein bisschen, gleich kommt einer, der ist grösser als ich.» – «Jawoll!», sagte der Troll, und dann trollte er sich wieder unter die Brücke. Nicht lange, da kam der zweite Bock Brausewind. «Trapp trapp! Trapp trapp! Trapp trapp!», macht’s da auf der Brücke. «Wer trappelt da über meine Brücke?», brüllte der grosse abscheuliche Troll. «Das bin ich, der zweite Bock Brausewind», sagte der, und seine Stimme war schon nicht mehr so fein, «ich will zur Alm gehn und mich fett machen.» – «Aber jetzt komme ich und hole dich!», brüllte der grosse abscheuliche Troll und sprang auf die Brücke. – «Ach nein, tu das nicht», sagte der Bock, «warte noch ein bisschen, dann kommt einer, der ist noch grösser als ich.» – «Jawoll!», sagte der Troll, und dann trollte er sich wieder unter die Brücke. Und dann kam der grosse Bock Brausewind. «Taram taram! Taram taram! Taram taram!», macht’s auf der Brücke, dass sie fast zusammenkracht. «Wer trampelt da über meine Brücke?», brummte der grosse abscheuliche Troll. «Das bin ich, der grosse Bock Brausewind!», sagte der mit ziemlich grober Stimme, «ich geh zur Alm und mach mich fett!» – «Aber jetzt komme ich und hole dich!», sagte der grosse abscheuliche Troll und kletterte auf die Brücke. «Dann komm nur», sagte der grosse Bock, und er senkte seinen Kopf, und seine Hörnerspitzen blitzen, und seine eisenharten Hufe trommeln auf die Brücke, und er ruft: «Siehst du meine Hörnerspitzen, die werden dir den Bauch aufschlitzen! Hörst du meine Hufe krachen, die Mus aus deinen Knochen machen?» Und damit fuhr er auf den Troll los, nahm ihn auf die Hörner, trampelte auf ihm herum, und als er ihn windelweich geklopft hatte, warf er ihn ins Wasser. Und dann gingen sie alle drei über die Brücke zur Alm: «Tripp tripp! Trapp trapp! Taram taram!» Und da haben sie sich so fett gemacht, dass sie gar nicht wieder nach Hause wollten. Und als sie am Ende des Sommers doch wieder heimgingen und über Brücke kamen, war der grosse abscheuliche Troll mucksmäuschenstill. Die drei Böcke Brausewind

13 «Märchen sind seelische Trainingslager gegen die Angst.» Heinrich Dickerhoff / Lesen Sie das Märchen Ihrem Kind vor. Ermuntern Sie Ihr Kind, die Szenen mit Bewegungen und Geräuschen zu untermalen, um den Troll namens Angst zu überwinden. Immer wieder neu. Die drei Böcke Brausewind halten zusammen. Sie werden immer mutiger und selbstbe- wusster, und der angstmachende Troll wird immer kleinlauter. Es erfordert von den Böcken Brausewind grosse Anstrengungen, den angsteinflössenden Troll, «unter die Brücke» zu verbannen. Wie gut, wenn man ältere Geschwister oder Freudinnen zur Seite hat!

14 Für uns Eltern sind Svens Ängste eine echte Heraus- forderung. Wir haben jedoch gelernt, dass wir uns deshalb nicht schuldig fühlen müssen, wir haben nichts falsch gemacht. Es ist normal, dass Kinder Ängste haben. Und wir können ihn unterstützen. » Bettina und Markus, Eltern von Sven Eltern erzählen: Mit Kindern leben, die Ängste haben Situation entschärft. Wenn Sven wieder Ängste entwickelt, fragen wir nach und lassen ihn seine Angst möglichst genau beschreiben. Auf diese Weise kann Sven seine Angst eingrenzen. Wir beten auch mit Sven. Das stärkt alle. Wenn ihm eine Geschichte Angst macht, darf er weggehen. Manchmal hört er sich die Geschichte dann trotzdem an, einfach aus sicherer Distanz. Sven mag nun auch den Ofen einfeuern. Es Gebät gäge d Angscht Mängisch han i Angscht ganz mega fescht! I gspüre se rumore: Im Buuch, im Hals, sogar i de Zääje und mini Bei und Arme wärde schwär und hert. D Wörter han i verlore, d Ouge tuen i zue, wott mi nume no verstecke, wott nume no mi Rueh. Gott, gib du mir öpper, wo bi mir isch, we d Angscht mi packt, öpper, wo seit: «Du schaffsch das!», und nid über mi lacht. Schänk du mir Vertroue, dass i stercher bi als mini Angscht und wieder Muet tue finde, sogar wes fischter isch und Nacht. Amen. «Von seiner Persönlichkeit her ist unser Sven ein Kind, das viel fragt und eher vorsichtig ist. Seit Sven die rauchenden Trümmer eines abgebrannten Hauses gesehen hat, hat er Angst vor Feuer. Und im Kindergarten begann Sven wegzulaufen, wenn eine Geschichte erzählt wurde, weil er Angst hatte, die Geschichte könnte ein böses Ende nehmen. Wir begannen, uns Sorgen zu machen. Geholfen hat uns die Kindergärtnerin. Sie thematisierte die Ängste unseres Sohns und ermutigte uns, eine Elternberatung in Anspruch zu nehmen. Seitdem hat sich die Holen Sie sich Hilfe, wenn’s schwierig wird: farbenspiel.family

15 Mutmachlieder gibt 's auf: Gott, du bisch wien es Liecht i dr Nacht oder ou wiene Hirt, wo geng wacht. Du luegsch guet, bisch bi üs, lahsch ir Nacht üs nie allei, wien es Liecht i dr Nacht füehrsch üs sicher hei. Gott, du bisch wien es Liecht i dr Nacht, hesch Vertroue u Muet zu üs bracht. Hei mir Angscht, bisch du da, mir chöi zäme witergah, wien es Liecht i dr Nacht bisch du immer da. Amen. macht, Lena zu Kontakten zu zwingen. Dass Lena anders ist als ihre Gspänli, fordert uns stark heraus. Was uns hilft, ist unser Glaube, dass Lena ein Geschöpf Gottes ist, wundervoll und einzigartig. Sie darf so sein, wie sie ist, und sie wird ihren Weg finden. » Carmen und Urs, Eltern von Lena «Als Lena zwei Jahre alt war, sprang ein fremder Hund laut bellend an ihr hoch. Seitdem fürchtet sie sich vor Hunden. Keine einfache Situation, denn nur schon in unserem Block gibt es drei Hunde! Viel schwieriger ist jedoch, dass sich Lena auch vor fremden Menschen fürchtet. Schon als viermonatiges Baby begann sie zu fremdeln und bis heute zieht sie sich vor anderen Kindern und Erwachsenen zurück. Sie verstummt, wenn jemand auf sie zukommt, und flüchtet auf Mamas Schoss. Andere Eltern haben uns schon Ratschläge erteilt wie: «Meldet sie doch für die Spielgruppe an!», oder: «Geht jeden Tag mit ihr auf den Spielplatz!» Solche Ratschläge sind zwar gut gemeint, helfen uns jedoch nicht. Im Gegenteil, sie verursachen noch mehr Stress. Wir haben Lena psychologisch abklären lassen. Erste Tests zeigen, dass sie sehr intelligent ist. Zudem ist sie eine Perfektionistin und verhält sich deshalb anders als viele Gleichaltrige. Uns wurde bestätigt, dass es keinen Sinn farbenspiel.family

16 «Tschüüss …» Die junge Mutter winkt, bis der stolze Erstklässler die Strasse überquert, sich umdreht, zurückwinkt und dann losrennt. Die Grossmutter hat die Szene beobachtet, Erinnerungen tauchen auf, sie fühlt sich 30 Jahre zurückversetzt. Die Haustüre fällt mit lautem Getöse ins Schloss, im Dachstock poltert es, als wäre eine Elefantenherde unterwegs – die zwei Kleinen sind am Spielen. Ihre grosse Schwester hat sich soeben auf den Weg in den Kindergarten gemacht, gut geschützt unter ihrem neuen Regenschirm. Seit einer Woche ist sie ohne Begleitung unterwegs. Die Mama ist richtig stolz auf ihre Älteste! Sie drückt auf den EspressoKnopf ihrer Kaffeemaschine, einen Kaffee in aller Ruhe hat sie sich nach dem morgendlichen Familienstress verdient. In diesem Moment wird die Haustüre aufgerissen, die Türe knallt zum hundertsten Mal an die Garderobenwand, und Anna rennt mit patschnassen Gummistiefeln in die Küche. Unter der Kapuze ihrer Regenjacke blitzen zwei braune Augen: «Mama, du hast etwas vergessen!» Sie guckt ihre Mama erwartungsvoll und herausfordernd an. Diese ist irritiert. Das Znüni hat sie eingepackt, ebenso Joghurtbecher, Korkzapfen und drei Zeitungen, genau wie es auf dem Zettel stand, den Anna vom Kindergarten heimgebracht hatte. «Vergessen? Was soll ich denn vergessen haben? Ich hab doch den Zettel ganz genau gelesen!» Anna schüttelt den Kopf. «Du hast vergessen, was zu sagen!», meint sie leicht vorwurfsvoll. Die Mama wird ungeduldig: «Anna, jetzt ist nicht Zeit für Rätselspiele, du kommst zu spät in den Kindergarten!» Anna versteht nicht, warum ihre Mama heute sooo begriffsstutzig ist. Sie tippt mit ausgestrecktem Zeigefinger vehement auf Mamas Brust: «Du – hast – mir– einen – Kuss – gegeben – und – tschüss – gesagt – aber – du – hast – ‹Bhüeti Gott› – vergessen!» Die Mama ist perplex, sie ist nicht die Frau der frommen Sprüche, das geht ihr gegen den Strich – aber wie ist das nun mit diesem «Bhüeti Gott»? Sie drückt ihre Tochter verwirrt an sich, sucht vergeblich die «richtigen» Worte und schiebt den gelben Zwerg eilig zur Haustüre hinaus: «Also, wenn du meinst, dann sag ich nochmals – also: Mach’s gut, pass auf, nicht losrennen bei der Ampel, tschüüss, bis bald – und – Bhüeti Gott!» Anna dreht sich auf dem Gartenweg um, winkt unter ihrem hübschen Schirm, strahlt und schlüpft offensichtlich zu- frieden zum Gartentor hinaus. Die Grossmutter lächelt, ihre Augen blitzen. Sie wirft einen Blick zurück zur Strasse, ihr Enkel ist längst verschwunden. Sie schickt ihm ein leises «Bhüeti Gott» hinterher. Renate Begré-Spycher Bhüeti Gott

17 Rituale, die Kindern Sicherheit schenken Abig-Gebät für chlini Lüt En Hirt cha zAbig nöd go schlafe, wänn im eis fehlt vo sine Schafe. Er rüeft, er suecht’s und er treit’s hei, Kä einzigs laat de Hirt elei! So bisch du, Gott, Du gahsch mir nah. Du wottsch, das niemert Angscht mues ha. Du häsch mich gern, du luegsch zu mir. Gott, min Hirt, ich tanke Dir! Amen. Abendsegen: ERZÄHLEN BEWEGEN So wie meine Hände auf deinem Kopf beschützt dich Gottes Segen. Hände auf den Kopf legen. So wie ein Mantel dich umhüllt ganz leicht und warm, umgibt dich Gott auf allen deinen Wegen. Hände streichen von Kopf bis Fuss aussen am Körper entlang. Nun schliesse die Augen Hände über die Augen legen. und atme ruhig ein, denn du sollst heut und morgen Hände auf die Brust legen. gut behütet sein. Amen. Kreuzzeichen auf die Stirn zeichnen oder Hände an beide Wangen legen. Viel Inspiration für Rituale mit Kindern gibt‘s auf: Rituale geben Kindern Sicherheit und helfen ihnen, mit ihren Ängsten umzugehen. Pflegen Sie als Familie kleine Rituale im Tageslauf, zum Beispiel den Guten-Morgen-Kuss oder das Gute-Nacht-Ritual mit Abendsegen. Christiane Dusza farbenspiel.family

18 Kinder im Umgang mit ihren Ängsten unterstützen Kinder gehen sehr verschieden mit Ängsten um, jedes Kind muss seinen eigenen Weg finden. Als Erwachsene haben Sie schon viel Erfahrung gesammelt, deshalb haben Sie viele Möglichkeiten, Ihrem Kind zu zeigen, was gegen die Angst helfen kann. Dem Kind Mut machen, ein selbst gewähltes Risiko einzugehen oder ein kleines Abenteuer zu wagen. Sich wenn immer möglich sofort Zeit nehmen, wenn das Kind Angst zeigt. Die Gefühle des Kinds ernst nehmen und über die Angst reden. RUHIG BLEIBEN Wenn ein Kind in panischer Angst ist, ist es wichtig, dass Erwachsene ruhig bleiben. Erinnern Sie sich daran, dass Angst auch ein nützliches Gefühl ist, das vor Gefahr bewahrt. Bleiben Sie zuversichtlich. Stellen Sie sich Ihren eigenen Ängsten, um sie nicht ungewollt auf Ihr Kind zu übertragen. WANN IST ANGST BEHANDLUNGSBEDÜRFTIG? Viele Ängste von Kindern werden mithilfe aufmerksamer Begleitung überwunden und tragen zur gesunden Entwicklung des Kinds bei. Doch kindliche Angst kann sich auch verfestigen oder übergross werden. Nehmen Sie Kontakt mit Ihrer Kinderarztpraxis oder der Familienberatung auf, wenn Ängste einschränken und verhindern, dass Kinder an den Situationen wachsen können, oder wenn die Ängste das Familiensystem belasten. Gemeinsam ein Bilderbuch anschauen. Buchtipps gibt’s auf: farbenspiel.family

19 Spielerische Gelegenheiten helfen Kindern, mit Angst umgehen zu lernen. Einen Notfallkoffer packen, der Gegenständen enthält, die in akuten Situationen der Angst Ihr Kind beruhigen können: zum Beispiel ein Lavendelsäckchen, ein weiches Kissen, ein Nuscheli, ein Plüschtier, ein Lieblingsspiel. ➽ Soll ich dich noch ein Stück auf dem Weg in den Kindergarten begleiten? d Wollen wir die neuen Nachbarn mit dem Hund, der immer so laut bellt, besuchen? k Komm, wir fangen das gruselige Monster, das unter deinem Bett hockt, und werfen es aus dem Fenster! ❤ Atme ruhig durch ein Nasenloch ein und drücke dabei das andere zu. ✿ Erzähle mir, wovor du dich so fürchtest. r Nimm dein Lieblingsplüschtier fest in den Arm! ★ Komm, ich lege dir ein warmes Tuch über die Schultern. ☛ Mach dich gross, stampf mit beiden Beinen auf den Boden und ruf laut: «Ich schaffe das! »»» ✟ Lass uns ein Kraft-Gebet sprechen: «Lieber Gott, mach mich stark, dass ich alles schaffen mag.»» Was Ihrem Kind in akuten Situationen der Angst helfen könnte:

20 Autorenteam: Katharina Wagner, Religionspädagogin und diplomierte Bibelerzählerin; Sandra Begré, Pfarrerin Redaktion: Dorothea Meyer-Liedholz Illustration Wimmelbild: Tobias Sturm, tobiassturm.ch Layout und Gestaltung: Britta Appert, Zürich Druck: Druckerei Lutz AG, Speicher; printed in Switzerland Vertrieb: Verband Kind und Kirche I Chileweg 1 I 8415 Berg am Irchel www.kindundkirche.ch/farbenspiel.family; Einzelbroschüre: Fr. 4.00; Staffelpreise pro Broschüre: ab 10 Ex. Fr. 3.70; ab 20 Ex. Fr. 3.60; ab 50 Ex. Fr. 3.40 Copyright: © 2023 farbenspiel.family Textrechte: US2: Francesca Sanna, Ich und meine Angst, illustriert von Francesca Sanna © 2019 NordSüd Verlag AG, Zürich/Schweiz; S. 6: Gebet: Martin Polster: Gib mir Wurzeln, lass mich wachsen. Illustriert von Elena Temporin. © Gabriel Verlag in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart 2018; S. 7: Quote aus Psalm 23 im Berner Dialekt © Sandra Begré; S. 12: Böcke Brausewind, aus: Heinrich Dickerhoff, Trau deiner Sehnsucht mehr als deiner Verzweiflung. Märchen zum Leben (Topos Taschenbücher, Band 843). Matthias Grünewald Verlag, Verlags-gruppe AG © Heinrich Dickerhoff; S. 14: Gebät gäge d Angscht © Katharina Wagner; S. 17: Abig-Gebät: Regine Schindler, Starche Gott – Du bisch min Fründ, S. 31 © Theologischer Verlag Zürich; Christiane Dusza «Abendgebet», aus: dies., Bei Gott ist es wie in einem Nest. Gebete und Spiele für Kinder, Eltern und Kindergruppen © Agentur des Rauhen Hauses Hamburg 2022; US 3: Psalm 91,11 ist der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.® . Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis Bildrechte: S. 1: Blick unters Bett © Adobestock_339678718_Evgeniy Kalinovskiy; S. 2: Trennungsangst © iStock-183215749_heidijpix; wütender Junge: iStock-157376441_kkay; Beschämung © iStock-168510937_Brycia James; S. 3: magisches Denken © AdobeStock_423300792_Andrey Popov; Sommerlager © iStock-165053369_bmcent1; soziale Angst © iStock- 671550886_ Juanmonino; S. 5: Mutter und Kind © iStock 941595170_LittleCityLifestylePhotograpgy; S. 7: Schafherde © iStock-533431700_SolStock; S. 8: wandernde Mädchen © iStock-1191783958_ MNStudio; S. 9: Stab verzieren © AdobeStock_336085721_CrispyMedia; S. 13: Seilpark © iStock-599489504_Imgorthand; S. 14f: Hintergrund ©pixabay_ Marmor_3683820; S. 14: Männerhand © iStock-1290994189_Tomasz Smigla; S. 15: Frauenhand © iStock-519526160_ slav; S. 16f: Kind mit Regenschirm © shutterstock-735534100_Maria Sbytova; S. 18: Cover © NordSüd Verlag AG, Zürich/Schweiz; Klettern © iStock-535466066_EvgeniiAnd; Trost ©iStock1428735048_urbazon; S. 19: Superboy © iStock-1373259857_Ridofranz; Notfallkoffer © iStock 1029873890-DmitryPK; Klemmbrett © iStock-1144144147_voyata Die herausgebenden Kirchen waren bemüht, alle nötigen Abdruckrechte einzuholen. Wir bitten, nicht erhebbar gewesene Rechte gegebenenfalls zu melden: Kontakt: info@farbenspiel.family. farbenspiel.family möchte Eltern, Familien, Grosseltern und Paten inspirieren, die spirituelle Dimension im Familienalltag zu entdecken und zu gestalten. Auf der Website farbenspiel. family finden Sie dazu Anregungen, Tipps, Praxisbeispiele und aktuelle Hinweise zu unseren Broschüren, die farbenspiel. family zu verschiedenen Themen herausgibt. Katholische Kirche im Kanton Zürich Hirschengraben 66 I 8001 Zürich www.zhkath.ch Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Bern Zähringerstrasse 25 I 3012 Bern www.kathbern.ch Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn Altenbergstrasse 66 I 3000 Bern 22 www.refbejuso.ch Herausgeberinnen: Reformierte Kirche Kanton Zürich Hirschengraben 50 I 8001 Zürich www.zhref.ch Reformierte Kirche Aargau Stritengässli 10 5001 Aarau www.ref-ag.ch Römisch-Katholische Kirche im Aargau Feerstrasse 8 I 5001 Aarau www.kathaargau.ch Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St.Gallen Oberer Graben 31 I 9000 St.Gallen www.ref-sg.ch Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden Loëstrasse 60 I 7000 Chur www.gr-ref.ch Evangelisch-reformierte Kantonalkirche Schaffhausen Pfrundhausgasse 3 8200 Schaffhausen www.ref-sh.ch Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern Abendweg 1 I 6000 Luzern 6 www.lukath.ch Kooperationspartnerschaften: Bistum Basel Baselstrasse 58, Postfach 4502 Solothurn www.bistum-basel.ch Bistum St.Gallen Klosterhof 6b, Postfach 263 9001 St.Gallen www.bistum-stgallen.ch Verband Kind und Kirche Chileweg 1 8415 Berg am Irchel www.kindundkirche.ch farbenspiel.family folgen: Newsletter abonnieren!

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